Die Medizin entdeckt den Wald als Therapieraum.

Schon die ersten Schritte machen den Unterschied. Die Erde nimmt weich die Tritte auf. Die Äste knacken unverkennbar unter den Sohlen. Die Blicke streifen über sanfte Bodenwellen vorbei an Stämmen und hinauf zu den grünen Kronen, an denen sie die Sonne in Licht und Schatten bricht. Linde Luft füllt die Lungen. Es riecht nach frischem Nadelholz und alten Blättern. Und wir spüren ganz intuitiv: Wald tut gut.

In Japan wird das Waldbaden als Teil eines gesunden Lebensstils gepriesen und gepflegt – und ist heute fester Bestandteil der staatlichen Gesundheitsversorgung. Den Wald gibt es dort auf Rezept – und auch in den USA und Südkorea stellt Waldbaden eine anerkannte Therapiemethode dar: Eine veröffentlichte Studie 2010 im Fachblatt „Environmental Health and Preventive Medicine“ kam zu folgendem Ergebnis: Die Waldspaziergänge konnten Blutdruck, Puls sowie die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Körper der Studienteilnehmer deutlich senken. Bei Probanden, die in der Stadt unterwegs waren, zeigten sich diese Effekte nicht. Aber warum?

Liegt es am vielen Grün? An der Ruhe und Einsamkeit? Oder ist es vielleicht die bessere Luft? Um Fragen wie diese beantworten zu können, wurde 2012 an japanischen Universitäten ein eigener „Forschungszweig für Waldmedizin“ eingeführt. Und ja, ein Teil der positiven Effekte ist der Wissenschaft zufolge tatsächlich auf die Luft zurückzuführen. Jedoch nicht zwingend deshalb, weil diese weniger Schadstoffen belastet ist, sondern weil wir im Wald chemische Verbindungen einatmen, die Pflanzen abgeben, um zu kommunizieren – sogenannte Terpene.

Killerzellen vermehren sich

Diese unzähligen gasförmigen Verbindungen der Bäume, Kräuter, Pilze, Sträucher und Moose stärken unsere Abwehrkräfte. Fährt das Immunsystem hoch, werden mehr weiße Blutkörperchen gebildet, sogenannte Killerzellen. Diese bekämpfen nicht nur Keime, sondern z.B. auch körpereigenen Krebszellen laut Professor Qing Li von der Nippon Medical School in Tokio.

Er konnte 2015 in einer veröffentlichten Studie (Fachblatt International Journal of Environmental Research and Public Health) aufzeigen, dass schon nach zwei Stunden im Wald die Zahl der Killerzellen im Blut um die Hälfte anstieg. Am nächsten Tag nach einer zweistündigen Wanderung am Vor- und einer am Nachmittag, kletterte sie um 70% nach oben. Auch die Konzentration einiger krebshemmender Proteine war erhöht. Der Effekt hielt bei den Probanden noch eine Woche nach der Wanderung an. Für ein weiteres Experiment quartierte der Umweltimmunologe Qing Li zwölf Studienteilnehmer in ein Hotel ein. Bei 6 von ihnen wurde über Nacht die Atemluft mit Waldluft angereichert. Und genau bei diesen Personen war am nächsten Tag eine deutlich höhere Anzahl an Killerzellen nachweisbar.

Waldbaden macht munter und hilft gegen Stress

All das bedeutet natürlich nicht, dass regelmäßige Spaziergänge in der Natur Krebserkrankungen heilen könnten. „Die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass der Wald die körpereigene Abwehr stärkt und Baden im Wald sich daher durchaus positiv auf verschiedene Krankheitsverläufe auswirken kann“, sagt Qing Li. Krebspatienten etwa könnte der Wald zumindest dabei helfen, mit den Nebenwirkungen ihrer eigentlichen Therapie besser fertig zu werden.

Neben physischen Effekten gab es auch psychologische Effekte des Waldbadens. Das Forscherteam um Professor Hiroko Ochiai fand in einem speziellen Test heraus, das der Wald bei weiblichen wie männlichen Studienteilnehmern den Grad der Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Müdigkeit sowie den der Spannung und Verwirrung deutlich senkt. Somit könnte das Naturerlebnis psychischen Erkrankungen vorbeugen.

Optimale Wald-Dosis

„Ein Aufenthalt in der Natur besitzt einen vorbeugenden Effekt“, betont auch Professor Peter Falkai, Direktor der Klinik und Poliklinik für Pschiatrie und Psychotherapie an der Ludwig-Maximillians-Universität München. Und der Spaziergang durch den Wald hat auch eine therapeutische Wirkung, ist ein pschisches Leiden bereits ausgebrochen. Falkai: „Wenn Sie eine Angststörung, eine Depression oder ein Psychose haben ist das sicherlich hilfreich. Nur: Ab wann entfaltet der Wald einen schützenden Effekt für die Seele? Wie hoch muss die Dosis sein? Wie oft und wie lange muss man sich dort aufhalten?“Genaues weiß man nicht,“ sagt Falkai. Die Zahl der wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema sei derzeit noch nicht recht übersichtlich. Demnach existiert keine Studie, die das Verhältnis von Dauer und Wirkung eines Waldspaziergangs ermittel. „Aber sich zweimal pro Woche für 30 Minuten in der Natur aufzuhalten, damit Sie genug Licht und Luft haben, halt ich für die Minimal-Dosis“, sagt Falkai.

Nadelholz, Licht und Wasser

Mit 11,4 Millionen Hektar besteht Deutschland zu 32 % aus Wäldern. Genug Möglichkeiten also, diese zu nutzen. Aber laut Experte Falkai ist Wald nicht gleich Wald: „Ein idealer Therapiewald besteht aus Nadelhölzern, bietet viel Licht und Wasser – Bäche, Flüsse oder Seen“. Also auf zu dem Ort mit linder Luft, wo sich an Baumkronen die sonne in Licht und Schatten bricht und Schritt um Schritt der Alltagsstress im Erdreich versickert! Wald tut gut.

Quelle: Artikel von Christian Andrae aus Apotheken Umschau vom 01.März 2018

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